 Schott Promotion : Christopher Peter.jpg)
©Schott Promotion / Christopher Peter
Pēteris Vasks, Composer in residence
Die meisten Menschen haben heute keinen Glauben, keine Liebe und keine Ideale mehr. Die geistige Dimension geht verloren. Ich will der Seele Nahrung geben. Das predige ich in meinen Werken. (Pēteris Vasks)
Pēteris Vasks wurde am 16. April 1946 im lettischen Aizpute geboren. Als Sohn eines in Lettland bekannten baptistischen Pastors erhielt Vasks zunächst Musikunterricht an der örtlichen Musikschule in Aizpute. Erste Kompositionen folgten sowie eine Ausbildung als Kontrabassist an der Emīls Dārziņš-Musikschule in Riga (1959-64). Bis 1970 besuchte Vasks die Kontrabassklasse von Vytautas Sereika am Litauischen Konservatorium in Vilnius und leistete anschließend seinen einjährigen Militärdienst in der Sowjetischen Armee. Bereits ab 1961 war er Mitglied verschiedener Sinfonie- und Kammerorchester: beim Philharmonischen Orchester von Litauen (1966 bis 1969), beim Philharmonischen Kammerorchester von Lettland (1969 bis 1970) und beim Lettischen Rundfunk- und Fernsehorchester (1971 bis 1974). Darüber hinaus studierte Vasks von 1973 bis 1978 bei Valentin Utkin Komposition an der lettischen Musikakademie in Riga. In den Folgejahren arbeitete er als Musiklehrer in Salacgrīva, Zvejniekciems und Jelgava, seit 1989 unterrichtet er Komposition an der Emīls Dārziņš-Musikschule in Riga.
Während Vasks zur Sowjetzeit auf Grund seines Glaubens und seiner künstlerischen Überzeugungen den Repressalien der russischen Kulturdoktrin ausgesetzt war, haben die Werke des lettischen Komponisten in den vergangenen Jahren große Anerkennung gefunden. Eine zentrale Rolle in Vasks Schaffen spielt die Chormusik. Seine Instrumentalwerke werden weltweit von namhaften Künstlern aufgeführt und sehr häufig vertanzt.
Vasks' Kompositionen greifen archaisch-folkloristische Elemente der lettischen Musik auf und setzen sie in eine spannungsreiche Beziehung zur zeitgenössischen Musiksprache. Oft tragen die Werke programmatische Titel, die sich auf Naturvorgänge beziehen. Dabei geht es Vasks nicht um rein poetische Lobpreisung der Natur oder eine plakative Landschaftsmalerei. Die vielschichtigen Wechselwirkungen zwischen Natur und Mensch, die Schönheit des Lebens einerseits, aber auch die drohende ökologische und moralische Zerstörung der Welt sind die Themen, die Vasks in seinen Werken mit musikalischen Mitteln aufgreift. Vielfach zeigen sich Bezüge zur eigenen Biographie und der jüngsten leidvollen Geschichte des lettischen Volkes. Bereits als Zehnjähriger schrieb Vasks ein freiheitskämpferisches Chorlied als Reaktion auf die Leiden der Menschen, die über Nacht aus ihren Häusern vertrieben und in Straflager verschleppt wurden.
Die 1977 entstandene Musik für wegziehende Vögel für Bläserquintett versteht sich als sehnsuchtsvolle Hoffnung auf eine von den Besatzern bis dato nicht gewehrte Reisefreiheit, während die Musica dolorosa für Streicher aus dem Jahr 1983 eine sehr persönliche Totenklage auf den Verlust der eigenen Schwester beschreibt. Mit Musica adventus (1996), Musica appasionata (2002) und Musica serena(2015) komponierte Vasks weitere Streichorchesterstücke, die zusammen mit Musica dolorosa eine Werkereihe bilden.
Auch die drei Symphonien – 1. Symphonie für Streicher („Stimmen“, 1991), die 2. Symphonie (1998/99) für großes Orchester und 3. Symphonie (2005) für großes Orchester – versteht Vasks als Spiegel der jüngsten politischen Ereignisse in den baltischen Staaten und deren Auswirkungen auf Umwelt und Mensch. Schroffen, zerfahrenen Cluster- und Aleatorikklängen, die Bedrohung und Zerstörung symbolisieren, werden zarte Vogelrufimitationen der Bläser, volksliedhaft einfache Melodien – oft eingebettet in eine Moll-lastige Harmonik – sowie mystisch flirrende Streicherflächen entgegen gestellt.
Solokonzerte für Streicher und Kompositionen für Streichorchester und -Ensemble haben sich in den vergangenen Jahren zu seinen bevorzugten Gattungen entwickelt. Dabei arbeitet Vasks immer wieder mit renommierten Solisten zusammen. Auch in dem 1997 durch Gidon Kremer aufgeführten Violinkonzert Fernes Licht fehlt nie der Hinweis auf die Möglichkeit einer guten, „idealen Welt“ – ein Hauch musikalisch akzentuierter Hoffnung, der mitunter verheißungsvoll raumgreifende Dimensionen annimmt. 2006 wirdmete er Kremer auch sein Stück Einsamer Engel ("Meditation"), in der Vasks seine Vision eines Engels verarbeitet, der voller Sorge, aber gleichzeitig auch hoffnungsvoll auf die Welt herabschaut. Ein scheinbar unendlicher Melodiebogen der Solovioline wird von flirrenden Klangflächen des Streichorchesters getragen. Wie auch das Cellokonzert Klātbūtne ("Presence"). das Vasks 2012 für Sol Gabetta komponiert hat, erlebt es weltweit zahlreiche Aufführungen. Es folgten das Concerto per viola ed orchestra d'archi (2016) sowie das Konzert für Oboe und Orchester (2019) für Albrecht Mayer. 25 Jahre nach Fernes Licht komponierte Vasks sein zweites Violinkonzert Vakara gaismā ("Im Abendlicht"), das 2022 von Hugo Ticciati und O/Modernt in Stockholm uraufgeführt wurde. Das Abendlicht steht hier als Metapher für den Lebensabend des Menschen.
Wie seine Instrumentalmusik trägt auch sein Vokalschaffen erzählerische Züge. Es vermittelt Botschaften und mahnt zum Widerstand gegen die Unmenschlichkeit dieser Welt. Zemgale (1989) für gemischten Chor, ein dramatisches Gedicht, bezieht sich auf das gleichnamige Gebiet in Lettland, das ein Symbol für die Verschleppung lettischer Bürger wurde. Auch in Litene (1993) für gemischten Chor setzt sich Vasks mit der Zeit der sowjetischen Fremdherrschaft auseinander. Die Chorballade erinnert an die Ermordung lettischer Offiziere nach dem Einmarsch der Roten Armee im Jahre 1941: Extreme Hoch- und Tieflagen in den Stimmen vertonen Unruhe, Schrecken und Schreie. Heute zählen vor allem Pater noster (2000), Missa (2000), Prayer "Lord, open our eyes" (2012), The Fruit of Silence (2014) und Da Pacem, Domine (2016) zu seinen erfolgreichsten Stücken für gemischten Chor und Streichorchester.
1996 wurde Vasks zum Main Composer des Stockholmer Festivals für neue Musik ernannt. Im selben Jahr erhielt er den Herder-Preis der Alfred Toepfer Stiftung sowie den Baltischen Assemblee Preis. Bereits dreimal wurde Vasks mit dem Großen Musikpreis Lettlands ausgezeichnet: 1993 für Litene, 1998 für Fernes Licht und 2000 für die 2. Symphonie. Seit 1994 ist Vasks Ehrenmitglied der Lettischen Akademie der Wissenschaften, seit 2001 Mitglied der Königlich Schwedischen Musikakademie in Stockholm. 2002 wurde Vasks zum Ehrensenator der lettischen Kulturakademie Riga ernannt. 2005 erhielt die Einspielung des Violinkonzerts Fernes Licht und der 2. Symphonie den Cannes Classical Award. Für sein 6. Streichquartett erhielt Vasks 2021 den Großen Lettischen Musikpreis. Als Composer in Residence war er bei den britischen Festivals Presteigne (2006) und Vale of Glamorgan (2006, 2016), dem Usedomer Musikfestival (2010), dem Zürcher Kammerorchester (2011/12) sowie dem Canberra Music Festival (2012). 2016 erhielt Vasks den Staatlichen Kulturpreis der Republik Lettland und wurde 2019 mit dem Ehrendiplom des lettischen Staatspräsidenten ausgezeichnet. 2022 wurde ihm der Preis der Europäischen Kirchenmusik im Rahmen des gleichnamigen Festivals der Stadt Schwäbisch Gmünd verliehen, im gleichen Jahr erhielt er als "Komponist des Jahres" den Opus Klassik. Beim Label Wergo ist 2010 eine Gesamteinspielung des bereits 1980 begonnenen und 2009 vollendeten Klavierzyklus "Die Jahreszeiten" erschienen.
Quelle: Schott Verlaghttps://www.schott-music.com/de/person/index/index/urlkey/peteris-vasks

©Serban Mestecaneanu
Chronologie
Quelle: Schott Verlag
https://www.schott-music.com/de/person/peteris-vasks/
Preis der Europäischen Kirchenmusik
Opus Klassik "Komponist des Jahres"